Magirus on tour

Abkürzung über die Berge – Albanien Teil 6

März 2021

Unser nächstes Reiseziel sind die warmen Quellen «Banjat e Benjës» bei Petran. Nimmt man die grosse, neue Strasse fährt man 239km ziemlich weit aussen herum. Auf der alten Strasse (SH72) über die Berge sind es nur 46km dafür bzw. sogar Offroad. Die Entscheidung fällt uns leicht 😜. Wie so oft ist der Zustand bis in die ersten Dörfer noch gut, wird zur Mitte hin immer schlechter und in der zweiten Hälfte wieder besser, weil die Leute noch in die Dörfer kommen müssen, die Strasse aber nicht mehr für «Durchgangsverkehr» benutzt wird. Zumindest in der Mitte sind auch keine Mercedes mehr unterwegs, jedoch ist die Strecke bei Touristen mit 4×4-Fahrzeugen beliebt. Dies haben sich einige geschäftstüchtige Dorfbewohner zu Nutze gemacht und ein kleines, gemütliches Restaurant eingerichtet. Sogar die Menükarte ist auf «Englisch» übersetzt. Wir sind gemäss Restaurantinhaber die ersten Touristen dieses Jahr, wohl auch deshalb liegen noch einige grosse Felsbrocken auf der Strasse. Bei den zwei Steinen nebeneinander können wir uns gerade so vorbeischlängeln. Die Strecke ist bei nassen Verhältnisse nicht zu empfehlen, da der Untergrund dann sehr schlammig ist und die Piste zu einer Rutschpartie wird.

Auf der anderen Seite der Berge im Tal angekommen, fahren wir auf der strassenabgewandten Flussseite ein kleines Stück flussaufwärts. Auch die Ziegenhirten bevorzugen die Talseite ohne Verkehr und so haben wir morgens und abends ein paar nette Unterhaltungen mit Händen und Füssen. Das Bier oder der Kaffee ist jeweils schon vorbereitet und wird, sofern es das Tempo der Ziegen zulässt, dankend angenommen. Da es das Wetter endlich einmal zulässt, stellen wir draussen Tisch und Stühle auf. Den der Herde vorausgehenden Hunden stehen wir zuerst etwas skeptisch gegenüber und wir beobachten die Lage vorerst aus dem «sicheren» Magirusaufbau. Es stellt sich aber heraus, dass die albanische Schäferhunde sehr entspannt sind. Grundsätzlich ist bei der Herde immer ein Hirte dabei und so lange man nicht einmal quer durch die Herde spaziert, lassen die Hunde einen in Frieden. Wir nutzen den ruhigen Platz und das aufkommende Regenwetter für die Erweiterung der Zusatzisolation (angefangen in Polen) sowie das Schleifen der Säge mit einem selbstgebauten Schleiftool.

Bei den warmen Quellen will Carole auf dem ersten, grossen Parkplatz parkieren. André hingegen hat sich in Albanien schon sehr gut integriert, fährt noch etwas weiter und stellt den Magirus näher an der Brücke ab. «Der Albaner» jedoch fährt bis ganz nach hinten und wenn er könnte, würde er auch noch über die Brücke fahren um direkt neben den warmen Quellen zu parkieren. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Leute überall mit dem Auto hinfahren und nicht gerne zu Fuss gehen. Wenn man nicht mit dem Auto hinkommt, geht man schlicht und einfach nicht hin. So waren die Leute auch sehr überrascht, dass wir auf dem Tomorr waren. Sie meinten, dass man da doch im Moment gar nicht hinkomme, weil noch zu viel Schnee liegt. Sie meinen, wir seien einfach mit dem Auto bis zum Fuss des Berges gefahren. Wir können sie erst von unserer Fussbesteigung überzeugen, als wir ein Foto von der kleinen Moschee auf dem Gipfel zeigen. Auch Fahrrad fahren ist nur dann eine Option, wenn man sich kein Auto leisten kann und nicht zu Fuss gehen möchte, als Freizeitbeschäftigung ist dieses noch kaum verbreitet. Wir haben in 5 Wochen nur gerade eine handvoll Albaner gesehen, welche «zum Spass» Fahrrad gefahren sind. Am Geld kann dies nicht liegen, denn es werden durchaus teure Autos gefahren und schöne Häuser gebaut.

Die Badebecken sind sehr schön gemacht (von der Schweiz finanziert 😉), das Wasser ist hingegen nicht ganz so warm, wie wir uns dies vorgestellt haben. Bei Sonnenschein kann man durchaus etwas verweilen, das nächtliche, romantische Bad bei Kerzenlicht fällt jedoch eher kurz aus. Auch hier schauen die Ziegen vorbei, lassen sich aber durch die Kapriolen von André nicht beeindrucken.

Auf der Fahrt nach Gjirokastër füllen wir unsere Wassertanks und ergänzen unsere Essensvorräte mit getrockneten Feigen und frischen Forellen aus dem Aquarium am Strassenrand. Das Sortiment am Strassenmarkt besteht aus frischem Tee, getrockneten Früchten, Honig und bei entsprechendem Verhandlungsgeschick kann man sicher auch die Ziege kaufen 😎. Zumindest Hasen und Hühner zum Verkauf am Strassenrand sind keine Seltenheit.

Die Häuser in der Altstadt von Gjirokaster sind schön restauriert, allerdings gibt es in den Läden praktisch nur die üblichen Souvenirs zu kaufen, z.B. die «originalen» Partisanenmützen aus dem 2. Weltkrieg mit Plastikschirm… Die Besichtigung der Burg lohnt sich, denn man hat einen atemberaubenden Ausblick auf die Alstadt und erhält sinnvolle Informationen in englischer Sprache (dies ist nicht immer der Fall). Das Burgmuseum kostet extra, zu sehen gibt es im oberen Stock viele Waffen, das alte Gefängnis und Informationen in albanischer Sprache (sinnvoll oder nicht können wir nicht beurteilen). Im unteren Stock wird die albanische Geschichte von der Steinzeit bis heute in kompakter Form und mit verschiedenen Anschauungsobjekten erzählt (nun wieder auf Englisch).

Dass Geschichtsschreibung nicht immer eine ganz objektive Angelegenheit ist, zeigt sich anhand eines in der Burg ausgestellten Flugzeugwracks. Es handelt sich um eine Lockheed T-33 der US-Airforce, welche 1957 in Tirana gelandet ist. Gemäss amerikanischer Version war das Flugzeug von Frankreich nach Italien unterwegs, ist im Nebel vom Kurs abgekommen und in Albanien notgelandet. Gemäss albanischer Version hat die albanische Luftwaffe das US-amerikansiche Spionageflugzeug eskortiert und zur Landung gezwungen. Welche Version der Wahrheit am nächsten kommt, ist im Nachhinein wohl schwierig herauszufinden…

Im Museum erfahren wir, dass es in der Nähe, im Goranxi-Tal, Flintsteinvorkommen gibt. Flint wurde früher gebraucht um Feuer zu schlagen, aber auch um Werkzeuge herzustellen. So ist das nächste Reiseziel schnell bestimmt, denn wir würden diese Art des Feuer machens gerne einmal ausprobieren. Nach einem kurzen Anruf zu Hause geht es los…

Wir müssen nicht lange suchen, denn die Flintsteine liegen überall im Tal herum. Als Stärkung nach dem ereignisreichen Tag gönnen wir uns die Forellen vom Fischmarkt.

Im nächsten Bericht geht es an die albanische Mittelmeerküste.

Erkenntnisse

Die Herkunft der Fahrzeuge im Balkan ist oft leicht zu erkennen.

Ein etwas unschönes Thema im Balkan ist der Müll, in Bulgarien etwas weniger, in Albanien und Nordmazedonien etwas mehr. Auch im Nationalpark im Valbona-Tal wird der Müll in einem grossen Loch im Flussbett entsorgt. Es sind aber durchaus Bestrebungen sichtbar, diesem Problem Herr zu werden. Es gibt viele Mülltonnen auch in den kleineren Dörfern, wovon die meisten auch regelmässig geleert werden. In einem Dorf hatte es sogar verschieden farbige Mülltonnen für die Trennung von Glas, Karton und Metall in einer ganz neuen «Entsorgungsstation». Es waren jedoch alle leer und 50m weiter gab es den klassischen brennenden Müllhaufen. Es braucht wohl noch eine Generation bis hier ein generelles Umdenken stattfindet. Wir haben einige Leute gesehen, die Verpackungen einfach auf den Boden werfen, aber auch viele Leute kennengelernt, welche sich über die Müllberge in der Natur aufregen.

Im ganzen Balkan gibt es sehr viele, teilweise riesig grosse Denkmäler / Monumente, zumeist aus der kommunistischen / sozialistischen Ära in mehr oder weniger gutem Zustand.

Obwohl es keinen Edeka gibt, findet man Edeka Müesli in Albanien.