Albanien ist nicht (West)Europa – Albanien Teil 1
Februar 2021
Wir erreichen Shkodra rechtzeitig vor der Polizeistunde, welche um 20.00 Uhr beginnt. Trotz Dunkelheit lässt sich erahnen, dass der Fluss viel Wasser führt. Der Campingplatz ist jedoch trotz seiner Lage direkt am Fluss offen und wir werden herzlich empfangen. Wir lernen auch gleich schon die Improvisierkünste der Albaner kennen. Da die sanitären Anlagen des Campingplatzes überflutet sind, dürfen wir das Bad in einem der Hotelzimmer benutzen. Bei Tageslicht wird das Ausmass der Überschwemmung deutlich: Ausser der Stellplatzwiese und dem Hotel ist so ziemlich alles überflutet.
Zu Fuss machen wir uns auf zur Erkundung der Stadt. Zu André’s Überraschung bzw. Leidwesen gibt es fast keine Mercedes W123 (André’s Lieblingsauto 😜) mehr. Da sind wir wohl ein paar Jahre zu spät dran… Das Treiben in der Stadt unterscheidet sich stark von westeuropäischen Städten, aber wir fühlen uns sofort wohl hier. Endlich mal eine Stadt, in der man nicht schon im Voraus weiss, welche Läden sich an der Haupteinkaufsstrasse befinden! McDonald’s, Burger King, Zara, grosse Einkaufszentren und Baumärkte sucht man vergebens… Stattdessen gibt es tausende verschiedene kleine Läden. An einer Strasse gibt es Haushaltsgeräte, eine Strasse weiter Gemüse zu kaufen. Es spielt sich viel direkt auf der Strasse bzw. dem Trottoir ab. An einem Kreisel sitzen Handwerker mit ihren Werkzeugen und warten auf Aufträge, auch das Fahrrad wird draussen repariert. Viele Albaner sagen uns, dass Albanien nicht Europa ist. Dies merken wir auch bei unserem Handyabo, denn bei diesem ist Albanien nicht inkludiert. Wir kaufen uns daher eine albanische SIM-Karte. Für 12 Euro erhalten wir einen Monat unbeschränkt Internet. Zuerst will diese nicht funktionieren doch in einem Shop wird uns sofort geholfen, obwohl wir die SIM-Karte woanders gekauft haben.
Ein weiterer Unterschied zu Westeuropa sind die Corona-Massnahmen bzw. die Umsetzung davon. Es gäbe zwar eine Maskenpflicht, doch nur ca. 5% der Leute in der Stadt tragen eine Maske. Ansonsten ist alles offen: Kaffees, Restaurants, Museen. Einzig die Polizeistunde scheint eingehalten zu werden, denn ab 20.00 Uhr wird es deutlich ruhiger auf der Strasse.
Wenn man in Shkodra ist, darf ein Besuch des Burghügels nicht fehlen. Von hier hat man einen super Ausblick auf die Stadt und das Umland. Es gibt ein Tickethäuschen mit Drehkreuz. Man kauft sich also ein Ticket und geht dann aussen am Drehkreuz vorbei, denn dieses hat keinen Strom und ist nicht in Betrieb. Es macht den Anschein, dass nicht jeder Albaner ein Ticket kauft… Im kleinen Museumskaffee mit Aussichtsbalkon gönnen wir uns einen Espresso und lassen uns von der albanischen Musik berieseln. Carole versteht zwar kein Wort, fühlt sich aber wie zu Hause. Bei Kaffeepreisen von 40 – 50 Rp. gönnt man sich im Gegensatz zu Norwegen auch eher wieder einen Restaurantbesuch.
Auf Empfehlung der Campingplatz-Besitzerin besuchen wir die «Site of Witness and Memory». Dieses befindet sich in einem ehemaligen Gefängnis des Hoxha-Regimes. Die Besichtigung des Zellentraktes und die dazugehörigen Informationen (auf Englisch) sind sehr aufschlussreich. Hauptthema ist das Verbot der Ausübung von Religion und die Verfolgung von Religionsführern. Für André hat es zu wenig Bilder auf den Infotafeln und er mag irgendwann nicht ehr lesen…
Bevor es uns in die Berge zieht, möchten wir in der Stadt noch Klebeband und Kunststoffrohr besorgen. Das Klebeband finden wir verhältnismässig schnell in einem «Eisenwaren»-Geschäft. Beim Kunststoffrohr werden wir von Geschäft zu Geschäft geschickt, aber auch das lässt sich auftreiben. Ohne Trainerhosen (das ist kein Vorurteil, in weiten Teilen der Stadt trägt die Mehrheit der Leute schwarze Trainerhosen) und mit Rucksack (wir haben nie einen Albaner mit Rucksack gesehen) werden wir selbstverständlich sofort als Touristen erkannt. In diesem Fall ist es ein Vorteil, denn wir bekommen beide Sachen geschenkt. Der Albaner in der Schweiz müsste dagegen wahrscheinlich sogar Kleinmengenzuschlag bezahlen…
Erkenntnisse
Das albanische Lieblingshaustier ist der Kanarienvogel. Tagsüber darf er draussen frische Luft schnuppern.
Wer in Albanien ein Haus bauen möchte, baut zuerst aus stahlverstärktem Beton die Stützstruktur. Danach baut man die Wänder mit Backsteinen und setzt die Fenster ein. Zum Teil ist nicht ganz klar, ob noch gebaut wird, das Haus so schon «fertig» ist oder gar nie fertiggestellt wird. Für den Fall, dass das Haus später erweitert werden soll, lässt man die Armierungseisen zuoberst überstehen.
Der Fischmarkt findet auf der Strasse statt. Die Fische sind mehr oder weniger lebendig aber allesamt nicht gekühlt.