Der Magirus als Schmuggelfahrzeug? – Polen Teil 4
November / Dezember 2020
Aufgrund von COVID sind auch in Polen leider fast alle Museen geschlossen und es gibt auch keine Stadtführungen. Doch in Lublin gibt es zum Glück eine tolle App (Lublin Stare Miasto) mit einem Audioguide, welcher einen durch die Stadt führt. Gleich zu Beginn beim Betreten der Altstadt hat es ein cooles Strassenschild mit einem maskierten Mann mit Axt. Carole möchte das unbedingt fotografieren für unsere Schildersammlung und steigt dafür auf den Stein, der praktischerweise davor am Boden liegt. Bei der darauffolgenden Stadtführung mit der Lublin App wird erklärt, dass es sich dabei um den Henkerstein handelt, welchen man nicht berühren sollte. Erst dann fällt uns das Schild an der Wand auf, welches den Stein als Unglücksstein betitelt. Ups… Jetzt haben wir zwar ein tolles Schild aber dafür Unglück. Die verwinkelten Gassen der Altstadt gefallen uns sehr gut und so vergeht die Zeit wie im Fluge. Die Restaurants sehen zwar gemütlich aus, dürfen aber momentan nur Take-away anbieten. Da die Preise im Vergleich zu Norwegen wieder etwas moderater sind, gönnen wir uns ein währschaftes, polnisches Mittagessen. Die Kombination von tiefen Aussentemperaturen und grossen polnischen Portionen führt bei Carole’s Nahrungsaufnahmegeschwindigkeit dazu, dass das Essen kalt wird. Aber lecker wars!
Die Türe zum Wohnaufbau hat aufgrund der umlaufenden Aluprofile immer Kondenswasser auf der Innenseite. Da wir dort unsere Jacken aufhängen, ist das etwas suboptimal. Wir wollen daher die Tür besser isolieren. Auf der Webseite von Castorama (riesiger polnischer Baumarkt und André’s Lieblingsgeschäft in Polen) suchen wir die dazu benötigten Utensilien zusammen. Um sicherzugehen, dass, was wir uns vorgestellt haben, auch wirklich funktioniert, fragen wir vor Ort bei einem Verkäufer nach. Der Erste, den wir ansprechen, kann nur polnisch gibt uns aber zu verstehen, dass dies nicht funktioniert. Auch seinem englischsprechenden Kollegen erklären wir unser Vorhaben. Der polnische Bodenspezialist bleibt dabei, dass man die selbstklebenden Vinylplatten nicht mit den Isolationspanels kombinieren kann. Der englischsprechende Kollege öffnet kurzerhand ein Pack Vinylplatten und ein Pack Isolationspanels und klebt sie zusammen. Die Verbindung ist nicht zerstörungsfrei zu lösen! Wir und nun auch der polnische Bodenspezialist sind nun überzeugt. Sie bieten uns sogar an, dass wir uns eine neue, ungeöffnete Packung Vinylplatten und Isolationspanels nehmen dürfen. Da wir aber keinen ganzen Boden sondern nur unsere Tür damit verkleiden möchten, reichen uns die geöffneten Packungen. Das Fazit des englischsprechenden Verkäufers zum Testlauf: Kundenzufriedenheit wird bei Castorama eben gross geschrieben! Es hat tatsächlich gut funktioniert und es bildet sich kein Kondenswasser mehr.
Auf nahezu leeren Autobahnen fahren wir Richtung Karpaten. Ein für uns Schweizer ungewohntes Bild, zumal wir zur Stosszeit unterwegs sind. Die Karpaten kennt man eher aus Rumänien, doch ein Ausläufer ragt bis nach Polen. Dieser ist Nationalpark-Gebiet. Früher lebten hier viele Ukrainer, doch während des Kommunismus in Polen wurden sie vertrieben, deshalb ist das Gebiet heute recht dünn besiedelt. Wir würden gerne einmal mit Pferden ausreiten gehen und haben gelesen, dass es in Wolosate einen Reitstall geben soll. Leider ist auch dies Corona-bedingt nicht möglich. Hier endet die legal befahrbare Strasse in Richtung Ukraine. Bereits auf dem Weg dorthin gab es Polizeistreifen am Strassenrand und Kameras an den grösseren Kreuzungen. Die Grenzpolizei fährt auf dem Parkplatz auch noch um unseren Lastwagen herum, zieht aber ohne Kontaktaufnahme wieder ab. Abends, als es schon dunkel ist und wir draussen am Kochen sind, kommt erneut eine Patrouille vorbei. Diesmal fragen sie uns, ob wir hier übernachten und wie unsere weiteren Pläne aussehen. Unsere Antworten sind wohl zufriedenstellend und sie fahren wieder weg. Wir fragen uns allerdings, warum die Grenzpolizei gerade hier so präsent ist. Später erfahren wir, dass sich Wolosate an einer beliebten Schmugglerroute befindet, wo vor allem Schwarzarbeiter aus Vietnam über die Ukraine nach Polen transportiert werden. Wir hätten in unserem Magirus durchaus Platz für ein paar Vietnamesen, also machen die Kontrollen für uns jetzt auch Sinn. Ausserdem sind wir überhaupt nicht zur üblichen Touristensaison unterwegs und coronabedingt sind auch sonst keine ausländischen Touristen da.
Nachdem wir bei den sanitären Anlagen unsere Wassertanks wieder aufgefüllt haben, schliesslich haben «wir» (Schweizerische Eidgenossenschaft) diese ja bezahlt, machen wir uns auf den Weg zum Tarnica. Dies ist der höchste Punkt der polnischen Karpaten und so erhoffen wir uns eine tolle Aussicht. Der Weg ist super ausgebaut, da sind wir uns aus Schweden und Norwegen anderes gewohnt. Oben hat der Winter schon erste Vorboten geschickt und wir sind froh um unsere warmen Jacken. Der Ausblick lässt nichts zu wünschen übrig und das imposante Gipfelkreuz symbolisiert den Status der Kirche in der Gesellschaft Polens. Nach der kräftezehrenden Wanderung schläft Carole gut ein neben ihrem frisch begonnenen Eichhörnchen 😜.
Aufgrund des schönen Wetters und weil Wandern auch zu Coronazeiten erlaubt ist, fahren wir zum nächsten Parkplatz und erklimmen den Kruhly Wierch. Vom Gratwanderweg hat man eine super Aussicht auf die Ukraine und die Slowakei, sofern es keine Wolken hat 😉. Auf dem Parkplatz machen wir Bekanntschaft mit Sylvester, einem Polen. Wir sind froh, wieder einmal mit jemandem ein Gespräch führen zu können und er ist froh, sein Englisch trainieren zu können. Er führt uns in die fünf Tibeter ein und zeigt uns Fotos aus seinen Ferien in Griechenland, zumindest so lange sein Laptop Strom hat…
Die nächsten Tage verbringen wir in der Nähe von Zatwarnica an einem wunderschönen Grillplatz. Solche gibt es viele in Polen und im Winter ist man da (fast) ungestört. Einmal kommt eine Gruppe junger Polen vorbei und es gibt einen feuchtfröhlichen, interkulturellen Abend. Einer der Jungen erklärt stolz, dass sie auch einen 6-Zylinder Deutz-Motor in ihre Forstmaschine eingebaut haben. Nie wody, nie problemu! Beim Aussteigen aus dem Lastwagen werden wir immer schon von unserer «Hauskatze» erwartet. Sie hat es sich schon auf dem noch warmen Motor gemütlich gemacht und bleibt die nächsten paar Tage an unserer Seite. Wir erkunden die nähere Umgebung und entdecken frische Wolfsspuren im Schnee. Wir lesen auf der Infotafel, dass die Wölfe auch gerne die Wege nehmen, das ist bequemer. Die restliche Zeit verbringen wir mit Holz hacken fürs Feuer, Brot backen, Schneemann bauen und Schneeball-Zielwerfen auf die «Hirsch-Tafel». Bevor es weitergehen kann, müssen wir den Lastwagen vom Schnee befreien.
Wasser tanken funktioniert auch bei Schnee und Eis. Dank den Wasserstellen der Feuerwehr (Punkty czerpania wody) ist die Zufahrt Magirus-geeignet.
Ein Ausflug mit der Waldbahn Bieszczady wäre toll, nur leider fährt diese im Winter nicht. Also machen wir einen Abstecher zum Aussichtsturm «Jeleni Skok». Dieser ist nicht ganz SUVA-konform, macht es für uns aber umso spannender.
Erkenntnisse
In Polen gibt es nicht nur einen Black Friday, es gibt eine ganze Black Week. Diese dauert erst noch über zwei Wochen…
Wenn man in Polen denkt, dass abends Nebel aufzieht, liegt man falsch. Es sind nur die Polen, welche nach der Arbeit nach Hause kommen und ihre Wohnungen mit Kohlebriketts heizen.
Im Castorama gibt es dafür eine Kohlenbrikett-Theke, wo man seine Hausmischung zusammenstellen kann.
Uns sagt die Süssigkeiten-Theke im Supermarkt mehr zu. Dort gibt es Kekse im Selbstbedienungsregal. Leider haben alle einen anderen Preis, so dass man nicht mischen kann. Bei der Schokolade geht es.
Käsefondue geht auch mit polnischem Käse und Rotwein (wir haben vergessen Weisswein zu kaufen). Sieht gewöhnungsbedürftig aus, schmeckt aber gut und gar nicht so viel anders.
In Polen gibt es laut den Schildern überall Videokameras (Teren monitorowany). Wir glauben nicht ganz daran…
Im Nationalpark sind Drohnen verboten. Aber nur die DJI Phantom 4… Wir sind trotzdem nicht geflogen 😉.