Magirus on tour

Auf zu neuen Ufern – Polen Teil 1

Oktober / November 2020

Die Reiseplanung gestaltet sich wegen Corona nicht immer ganz einfach. Eigentlich wären wir gerne in die baltischen Staaten weitergereist. Dort hätten wir jedoch in Quarantäne müssen und das wollen wir uns im Lastwagen nicht antun. Polen war die Alternative, da dort weniger strikte Einreiseregeln gelten. Um es vorweg zu nehmen: Wir haben es definitiv nicht bereut!

Die Fähre legt in Świnoujście an. Wir sollten eigentlich zum Lastwagen, aber wissen leider nicht so genau wie. Unser Magirus stand beim Einladen zuhinterst auf der Hubrampe (Stockwerk 3) und steht somit nun einen Stock höher. Nur welches Stockwerk dies sein soll, darüber sind wir uns nicht ganz einig. Die nette Frau am Infoschalter klärt uns darüber auf, dass es nur ungerade Stockwerke gibt und unser Magirus nun im 5. Stock steht (Carole hat Recht gehabt!). Uns wurde freundlicherweise der Personalzugang zum Oberdeck aufgeschlossen und so kommen wir auf direktem Weg zum Magirus.

Als erstes fahren wir auf den Campingplatz Marina in Szczecin, da dieser noch offen ist (viele andere haben die Saison bereits beendet). Unterwegs organisieren wir das Mautkästchen, welches wir für den Lastwagen benötigen um Autobahn fahren zu dürfen. Auf dem Campingplatz gibt es Wlan und wir organisieren unsere Polen-Rundreise, nebenbei machen wir erste Erfahrungen mit den polnischen Outdoor-Fitnessgeräten.

Der grobe Plan für Polen steht. Als Erstes möchte André den Magirus endlich mal «artgerecht» bewegen und eine Offroad-Tour machen. Es gibt eine polnische Webseite, wo man GPS-Tracks für Offroad-Touren in der Region Drawsko-Pomorskie herunterladen kann. Wir entscheiden uns für die Lastwagen Süd-Route.

Vorher treffen wir uns mit dem Betreiber dieser Webseite und seiner Frau. Dieser fackelt nicht lange und nimmt uns mit auf eine Spritztour durch die Wälder der Region. Vielen herzlichen Dank dafür!

Beim Begutachten der Lastwagen erwähnt er, wie praktisch es in den polnischen Wäldern sei, eine Seilwinde und eine Motorsäge am/im LKW zu haben. Später erfahren wir hautnah, warum. Er will den tief hängenden Ästen auf dem Weg ausweichen und fährt dabei in die nasse Wiese. Trotz Allrad und Sperren schafft er es nicht zurück auf den Weg. Mit Hilfe der Seilwinde zieht er den LKW routiniert wieder auf den Weg und schneidet uns mit seiner Motorsäge den Weg frei. Zu unserer Verteidigung: Wir hätten einen 3.2 Tonnen Greifzug und eine gute Handsäge dabei…

Die Fahrt führt uns vorbei an schönen Flüssen mitten im Wald, alten Kirchen und verlassenen Dörfern inklusive spannenden Hintergrundinformationen. Ein paar knackige Aufstiege und eine Wasserdurchfahrt dürfen auch nicht fehlen. Wir lernen ausserdem, wie man Waldstrassen erkennt, welche befahren werden dürfen und auf welchen Parkplätzen man mit dem LKW übernachten darf.

Am nächsten Tag machen wir uns voller Tatendrang auf den Weg. Nach einer kurzen Pause aufgrund von Holzarbeiten wird unsere Fahrt abermals gestoppt weil der Magirus etwas ins Schwitzen kommt. Die Öltemperatur geht bis fast 120°C, die Zylinderkopftemperatur bis fast 170°C, was angesichts der moderaten Aussentemperatur und der geringen Beanspruchung des Motors sehr hoch ist. Wir überbrücken den Abgasthermostat, allerdings läuft der Magirus nun zu kühl. Daher suchen wir einen geeigneten Platz, um die Ursache für die Überhitzung zu finden. Dabei können wir auch gleich ein paar andere Dinge auf der Todo-Liste erledigen.

Beim Abgasthermostat ist das Spiel zwischen Dehnstift und Kugel zu gross. Das eigentliche Problem können wir mangels geeignetem Werkzeug und Messinstrument nicht beheben, mit Kupferscheiben und Papierdichtungen können wir den Abgasthermostat jedoch so einstellen, dass der Deutzmotor wieder in einem gesunden Temperaturbereich läuft. Genauere Informationen dazu gibt es hier.

Während den Wartungsarbeiten im Wald am See kommt ein älteres polnisches Pilze suchendes Ehepaar und redet auf uns ein. Wir verstehen zuerst kein Wort. Dass der Mann schon gut angetrunken ist, mit seinem Pilzmesser vor unseren Köpfen herumfuchtelt und laut auf uns einredet macht ihn nicht verständlicher. Wir kramen alle unsere Russisch-Kenntnisse hervor und verstehen schlussendlich, dass sie etwa 5km zurück ins letzte Dorf gefahren werden möchten. Unser Versuch, ihnen zu erklären, dass genau heute der Lastwagen nicht läuft (das erste Mal auf unserer bisherigen Reise), scheitert kläglich. Es könne doch nicht sein, dass wir gestern noch beim Dorfladen vorbeigefahren seien und eingekauft hätten und heute der Lastwagen plötzlich nicht mehr laufe. Auch der ausgebaute Abgasthermostat kann sie nicht überzeugen. Etwas verwundert und enttäuscht ziehen sie von dannen.

Resultat der Wartungsarbeiten: Die in die Jahre gekommenen Gelenke flutschen wieder wie neu und der Deutzmotor freut sich über ein funktionierendes Temperaturmanagement. So kann auch André den Rest der Tour geniessen ohne sich Sorgen um den Motor zu machen. Da darf es zum Abschluss schon mal einen Freudentanz geben.

Erkenntnisse

Das Lieblingshobby der Polen im Herbst ist Pilze-Sammeln. Daher sind die Parkplätze der Hauptstrasse entlang gut besetzt. Am Wochenende gibt es auch Stände, wo man die frisch gesammelten Pilze kaufen kann.

Polnische Sprache, schwierige Sprache