Magirus on tour

Der Ofen funktioniert wieder – Albanien Teil 4

März 2021

Damit wir nicht den gleichen Weg zurück vom Valbonatal nehmen müssen, fahren wir diesmal auf der SH23 nach Kukës. Tolle Strasse, schöne Landschaft und Wahnsinns-Gefälle von 1%! Von Kukës nach Peshkopi wurde der Verlauf der Hauptstrasse geändert und diese führt nun nicht mehr dem Fluss «Drini i Zi» (Black Drin) entlang. Die alte (nicht asphaltierte) Strasse im Flusstal ist immer noch in Gebrauch und wird auch in Stand gehalten. Gleich zu Beginn windet sich die Strasse in Serpentinen den Felsen entlang hinab zum Fluss. Dabei steigt Carole’s Adrenalinlevel schon beträchtlich an und wir sind froh, dass uns niemand entgegen kommt. Kurz bevor wir unten ankommen, werden wir bei einem allein stehenden Haus zum Kaffee eingeladen. Diese Einladung nehmen wir gerne an. Unsere Albanisch-Kenntnisse sind schnell aufgebraucht, so findet die Kommunikation hauptsächlich per Google translate statt. Es bleibt nicht nur beim Kaffee, denn natürlich gibt es noch selbstgebrannten Rakia und wir werden auch noch zum Abendessen eingeladen. Dazwischen besichtigen wir die zwei Kühe mit Kalb und den Garten, wo wir mit dem Magirus übernachten dürfen.

Da die Nächte noch recht kalt sind, wird im Ofen im Wohnraum ein Feuer entzündet. Diese glimmt nur vor sich hin und aus den Ritzen des Ofens steigt ab und zu Rauch auf. André als alter Pfadfinder ist damit nicht zufrieden und entfacht kurzerhand das Feuer mit etwas Zeitung und kleinen Holzstücken. Doch sobald er das Ofentor wieder schliesst, zeigt sich, warum der Gastgeber nur einen kleinen Glimmbrand entfacht hat: Es raucht aus allen Löchern und der Raum wird innert Sekunden unbewohnbar… So wird der Raum evakuiert und wir setzen uns in den Nebenraum. André entschuldigt sich für das Malheur und erfragt den Zustand des Kamins. Dabei stellt sich heraus, dass der Gastgeber zwar die Rohre im Innenraum gereinigt hat, sich jedoch nicht traut, aufs Dach zu steigen um auch den Kamin zu reinigen. Trotz Protesten holt André seine Stirnlampe und steigt, unter Beobachtung der ganzen Familie, über die Holzleiter aufs neu renovierte Wellblechdach. Der Kamin besteht aus ausgeschlagenen Backsteinen, wie wir dies in Albanien noch öfter gesehen haben. Mit Hilfe eines langen Astes ist der Kamin kurze Zeit später wieder frei. Der Ofen funktioniert nun wieder einwandfrei und entsteht eine angenehme Wärme im vorher eher ungemütlich kalten Raum. Noch Tage später ruft uns der Gastgeber per WhatsApp Videocall an und zeigt uns hocherfreut, wie gut der Ofen funktioniert und was sie alles darauf kochen. Wir im Gegenzug sind froh, uns für die grosse Gastfreundschaft etwas revanchieren zu können.

Am nächsten Tag geht die Fahrt weiter, aber nicht ohne davor noch ein paar Erinnerungsfotos gemacht zu haben. Bei der Fahrt durchs Tal müssen zwei Brücken überquert werden. In Berichten von anderen Reisenden, welche wir im vornherein gelesen haben, wird deren Stabilität etwas angezweifelt. Auch wenn man bei der Überfahrt stellenweise den Fluss zwischen den Brettern erkennen kann, haben wir mit unserem Fahrzeug keine Bedenken. Bei der zweiten Brücke hat es ein neues 8 Tonnen Schild wobei der Gastgeber am Vortag von 10 Tonnen gesprochen hat. Unterwegs treffen wir den Strasseninstandhaltungstrupp bestehend aus einer Person bewaffnet mit Leuchtweste und Schaufel. Auch auf anderen Strassen haben wir schon gesehen, dass diese von Hand die Steine wegräumen, was bei uns alles maschinell gemacht wird. Die Strecke ist landschaftlich traumhaft! Die Fahrbahn ist hauptsächlich steinig und fahrtechnisch nicht anspruchsvoll. Am Schluss wird man durch die vielen Schlaglöcher etwas durchgeschüttelt.

Da die Strecke nach Tirana etwas länger ist, beschliessen wir, die grosse, «schnelle» SH6 zu nehmen und auf Abkürzungen über die Berge zu verzichten. Was wir nicht wissen: Die Strecke aus dem Osten des Landes nach Tirana wird gerade neu gebaut und entsprechend wird die alte Hauptverbindung wahrscheinlich nicht mehr unterhalten. Zeitweise sind wir gerade noch mit 10km/h unterwegs und der Magirus schaukelt mehr als bei der «Offroad-Strecke» am Black Drin.

In Tirana gibt es zwar keinen Campingplatz, aber südlich der Stadt gibt es das «Hotel Baron». Dort kann man mit dem Camper für 17 Euro pro Nacht auf dem Hotelparkplatz übernachten und die Toilette und Dusche im Hotel nutzen, wenn sie denn funktionieren würde… Auch hier ist man unkompliziert und gibt uns einen Zimmerschlüssel. Der Bus ins Stadtzentrum fährt direkt oben an der Strasse und kostet 40 Lek pro «Einsteigen». Tirana war auch zur Zeit von Enver Hoxha Hauptstadt und daher befindet sich hier der Führungsbunker. Darin befindet sich heute das Bunk’Art 2 Museum. Der Bunker wurde von 1972-78 gebaut, umfasst 106 Zimmer sowie eine Versammlungshalle und sollte die Führungselite im Falle eines atomaren Angriffes schützen. Neben dem Bunker an sich, erfährt man viel über die albanische Geschichte des 20. Jahrhunderts und das Leben während der Zeit des Kommunismus. Es wurde ein grosser Teil des Staatsbudgets fürs Militär ausgegeben, unter anderem für den Bau von rund 174’000 Bunkern. Das Verlassen des Landes war verboten und wer es trotzdem versuchte, auf den wurde an der Grenze geschossen. Private, motorisierte Fahrzeuge waren für die «normale» Bevölkerung nicht zugänglich und nur der Parteielite vorbehalten.

Simulation eines Gasalarmes

Nach dem interessanten aber düsteren Kapitel im Bunkermuseum gönnen wir uns einen Ausflug mit der österreichischen Gondelbahn auf den Hausberg «Dajti». Beim Anstehen scheint Corona noch nicht zu existieren, beim Einsteigen in die Gondel wird es dann aber als Vorwand verwendet, um die Gondel für sich alleine zu haben. Oben angekommen, sucht man die Bergidylle vergebens. Vielmehr ist Kirmes angesagt. Man kann mit dem Luftgewehr schiessen, Zuckerwatte kaufen, auf dem Pferd reiten oder mit dem Buggy eine Offroadtour machen. Wem die Gondel zu teuer ist, der fährt einfach mit dem eigenen Auto hoch und macht Picknick. Für die Gesundheitsbewussten gibt es Trainingsgeräte, welche wir natürlich unbedingt ausprobieren mussten. Das «Jugendferienheim» hat schon bessere Zeiten erlebt.

Im Stadtzentrum von Tirana geht es im Vergleich zu Shkodra einiges geordneter zu und her. Dafür sorgen auch die Verkehrspolizisten an den Kreuzungen, wobei wir uns nicht ganz sicher sind, ob der Verkehr ohne sie nicht besser laufen würde… Einen weiteren Beitrag zur Verkehrssicherheit liefern die Ampelanlagen, welche von weitem gut sichtbar anzeigen, ob gerade rot oder grün ist. Nur das Parkieren findet, gleich wie in allen anderen albanischen Städten, am Rand der Fahrbahn statt. Was die Situation für Fussgänger anbelangt, sehen wir noch gewisses Verbesserungspotenzial, z.B. dass der Zugang zur Bushaltestelle nicht über die Strasse führt 😉. Gar nicht zugänglich ist leider die Pyramide von Tirana. Nein, nicht eine Pyramide aus Stein wie in Ägypten, sondern ein Prunkgebäude aus weissem Marmor, Glas und rotem Stahl, welches 1988 als Enver-Hoxha-Museum eröffnet wurde. Die Pyramide war ein beliebter «Lost Place», wird jedoch zurzeit renoviert und soll als Jugendzentrum wieder eröffnet werden.

Der westliche Einfluss hält sich in Grenzen, so gibt es zu unserer Freude in Tirana weiterhin keinen McDonald’s oder Burger King. Was aber auch heisst, dass die Suche nach einem Imprägnierspray sich schwierig gestaltet. Der Intersport im neuen, grossen Einkaufszentrum hat zwar eine riesige Auswahl an Trainerhosen und Turnschuhen aber keinen Imprägnierspray. Fündig werden wir schliesslich im einzigen Bergsportgeschäft Albaniens. Die Auswahl ist klein aber fein, es gibt Top-Material zu kaufen, zu unserer Überraschung betreibt die Verkäuferin selber aber gar keinen Bergsport. Gut ausgerüstet, geht es nun für uns wieder in die Berge.

Erkenntnisse

Die Albaner (bzw. im Balkan allgemein) haben einen grossen Ideenreichtum für die Namensgebung ihres Geschäfts / Restaurants. Gewisse Namen mögen in der Landessprache gar nicht so lustig sein, unsere Lachmuskeln haben sie jedoch definitiv beansprucht.

  • Restaurant: Shakesbeer, Piccolo Grande Amore, Fast Food Big Mama, Sushi Mushi, MFC (Macedonian Fried Chicken), Ferrari Fast Food, Korona (das ist nur im Moment lustig), White House
  • Lebensmittelgeschäft: Family Tobacco, Fish & Seafood Nemo, Edelweiss
  • Kleiderladen: King Bro & Style, First Date Boutique
  • Autogarage: Auto serwis Rich Children
  • Schule: Elite
  • Tankstelle: Kastrati
  • Zahnklinik: Klinike Dentare Mega Dent
  • Hotel: Full

Wer braucht schon einen Lagerraum, wenn man ein Flachdach hat.


Es handelt sich nicht um Drehgondeln, sondern der Grafiker hatte eine etwas zu blühende Fantasie.


Besen aus nachwachsendem Rohstoff.


In Albanien ist so ziemlich nichts rollstuhlgängig ausser dieser Schaukel.


«Keep off the grass» gilt nur für Fussgänger 😜.