Magirus on tour

Imposante Bauwerke von Mensch und Natur – Polen Teil 5

Dezember 2020

Nach so viel Natur darf es auch mal wieder eine Stadtbesichtigung sein und so machen wir uns auf nach Krakau. Da im Stadtzentrum fast überall 3.5t-Fahrverbote hängen, suchen wir uns einen Parkplatz etwas ausserhalb und fahren mit dem Tram ins Zentrum. Im Gegensatz zu Lublin ist Krakau überhaupt nicht vorbereitet auf einen Lockdown und so gibt es praktisch nichts zu sehen bzw. keine Infotafeln bei sehenswerten Gebäuden und leider auch keinen Audioguide. Auch die vielen Touren, welche normalerweise gebucht werden können, finden zu André’s Leidwesen zurzeit nicht statt. Ihm hätte ein Ausflug zu einer Shootingrange zugesagt. Angesichts der tiefen Aussentemperaturen (ca. -6°C) und es kalten Windes entscheiden wir uns für eine Shoppingtour im Decathlon. Im Shoppingcenter gleich nebenan wollen wir zuerst aber noch zu Mittag essen. Als wir Eintreten begegnet uns gespenstische Leere. Die Ladenlokale sind alle abgedeckt, aber es läuft noch Musik. Ganz am anderen Ende finden wir doch noch einen Carrefour und müssen nicht hungern. Der Ausflug in den Decathlon ist ebenfalls erfolgreich und nun sind wir wieder voll ausgerüstet für neue Kayak- und Winterabenteuer.

Ausserhalb Krakau’s befinden sich die Überreste des ehemaligen KZ Plaszow und dessen Steinbruch. Dieser diente als Filmkulisse für Steven Spielberg’s Film «Schindlers Liste». Teile der Filmkulisse stehen noch und vom angrenzenden Hügel hat man einen schönen Blick auf Krakau’s Innenstadt.

Eigentlich hätten wir gerne das Museum im ehemaligen KZ Auschwitz besucht, welches nicht weit von Krakau entfernt ist. Dieses ist jedoch coronabedingt geschlossen. Weiter geht es daher mit einem ganz speziellen Bauwerk, welches in Rębielice Królewskie steht. Jozef Antos hatte einen Artikel zu Windenergie in einem amerikanischen Magazin gelesen und war besessen von der Idee, selber ein solches Windrad zu bauen. Nach unzähligen Tests im Kleinformat baute er sich 2003 ein 54 Meter hohes Windrad im Garten. Im Gegensatz zu heutigen Windturbinen besitzt sein Windrad 280 einzelne Blätter. 2009 starb Jozef Antos und mit ihm als treibende Kraft auch sein Projekt. Das Windrad besass nie einen Generator und produzierte daher auch nie Strom. Das Bauwerk zeigt jedoch, zu was Einzelpersonen im Stande sind, wenn sie von einer Idee überzeugt sind.

Im benachbarten Steinbruch ist es Carole nicht ganz geheuer um zu übernachten und so fahren wir (schon im Dunkeln) weiter bis an den See «Zbiornik retencyjny» bei Kluczbork. Der Entscheid lohnt sich, denn hier gibt es öffentliches Wifi und eine schöne Joggingstrecke rund um den See. Nach dem Joggen und der Isolation der Schränke (gleiches Problem wie bei der Türe → Kondenswasser) stärken wir uns mit selbstgemachten Pierogi.

Wir haben schon länger geplant, über Weihnachten einen Überraschungsbesuch in der Schweiz zu machen. Nun haben wir jedoch gelesen, dass Polen ab dem 14. Dezember in der Schweiz auf die Quarantäneliste kommt. Daher beschliessen wir, etwas früher die Rückfahrt in die Schweiz anzutreten, so dass wir spätestens am 13. Dezember zu Hause sind und nicht in Quarantäne gehen müssen. Dies wäre im Lastwagen nicht so gemütlich… Es sind noch einige Reiseziele in Polen auf unserer Liste offen und so stellen wir einen Plan auf, was wir in den verbleibenden Tagen noch alles besuchen können.

Das Tatra-Gebirge müssen wir leider auslassen, aber das Heuscheuergebirge liegt quasi auf dem Weg. Unterwegs machen wir Halt in Swidnica, denn hier steht die grösste Fachwerkskirche Europas. Diese Bauweise wurde nicht freiwillig sondern aus der Not heraus gewählt. Lange waren in Polen evangelische Kirchen verboten bzw. mussten an die Katholiken übergeben werden. Als der Bau der Kirche dann endlich erlaubt wurde, geschah dies unter strengen Rahmenbedingungen. So durften nur Holz, Sand, Lehm und Stroh als Baumaterial verwendet werden, der Bau durfte nicht länger als ein Jahr dauern und die Kirche musste ausserhalb der Stadtmauern errichtet werden. Umso erstaunlicher ist daher die Grösse der Kirche und dass diese heute überhaupt noch steht.

Für den Besuch des Bledne Skaly stehen wir besonders früh auf, denn wir möchten rechtzeitig zum Sonnenaufgang oben sein. Leider ist der Himmel bedeckt und Richtung Osten hat man keine freie Sicht, so dass wir nicht viel davon sehen ausser dass es immer heller wird. Nach einem stärkenden Frühstück aus dem Rucksack wagen wir uns auf den Weg durch die Felslandschaft. Zu dieser Jahreszeit ist niemand am Eingang und wir müssen daher keinen Eintritt bezahlen. Wir fühlen uns wie Höhlenforscher und müssen den Weg teilweise fast suchen, da er durch recht enge Spalten im Fels führt. Zum Glück haben wir nicht zu viel gefrühstückt, sonst hätten wir nicht mehr durchgepasst.

Weitere Steinformationen gibt es bei Karlow, auch hier bezahlen wir keinen Eintritt, weil niemand da ist. Auch bei den Souvenir- und Snackständen gibt es zurzeit nichts zu kaufen. Zum Glück können wir kein Polnisch sonst hätten wir lesen können, dass auch der schönste Teil des Weges bereits geschlossen ist 😜. Kleine Tafeln vor den Gesteinsformationen beschreiben, an was für Tiere diese erinnern. Carole erweitert nach dem Elch in Bialowieza ihr Repertoire um weitere Tierlaute.

Im Südwesten von Polen scheint früher Bergbau betrieben worden zu sein. Diese Zeiten sind vorbei, deshalb gibt es viele leerstehende Wohnblöcke und Fabrikgebäude. Uns haben die Dörfer in anderen Gegenden besser gefallen. Bevor wir aber die Rückreise in die Schweiz antreten, wollen wir noch einen letzten polnischen Gipfel erklimmen. Die Schneekoppe ist der höchste Punkt des Riesengebirges und liegt auf der polnische-tschechischen Grenze. Es gibt drei Wanderwege vom Skiort Karpacz auf den Gipfel. Der rote Weg soll der schönste sein. Bei Lawinengefahr ist dieser zwar geschlossen, doch es hat noch kaum Schnee, also machen wir uns guten Mutes auf den Weg. Am Anfang des Wanderwegs hat es ein polnisches Schild ohne Bild, welches wir tatsächlich nicht verstehen. Der Weg ist offen, also gehen wir weiter. Etwa in der Hälfte des Weges kommt wieder ein Schild, dieses Mal auch auf Englisch, mit Bild und mit Absperrung. Der Weg ist geschlossen und die Brücke bereits demontiert. Es gibt von hier aus leider keinen «Querweg» um auf einen der anderen Pfade zu gelangen und man müsste wieder bis ganz runter ins Dorf. Der Bach führt zurzeit nicht so viel Wasser, also müsste er auch ohne Brücke überquert werden können. Wir beschliessen, weiter zu gehen. Die nicht mehr vorhandene Brücke kommt schon bald, wie dies auf der Karte zu sehen war. Ohne Probleme kommen wir über den Bach. Kurz darauf kommt der Schnee und das Eis und wir sind froh, die Spikes für die Schuhe dabei zu haben. Ohne wäre es definitiv keine gute Idee gewesen, den Weg zu gehen. Als wir oben auf dem offenen Weg ankommen, merken wir, dass doch noch einige andere Wanderer unterwegs sind. Diese haben wohl das Schild am Anfang des roten Weges verstanden… Der Gipfel wirkt fast etwas surreal, da alle Gebäude völlig vereist sind und alles geschlossen ist. Runter nehmen wir den offenen, schwarzen Weg, der vor allem Carole aber nicht wirklich zusagt. Er führt steil, ohne Kurven den Berg runter bzw. hoch und besteht aus vielen grossen, lieblos aneinandergereihten Steinen.

Am Fusse der Schneekoppe kann man ein interessantes Phänomen beobachten. Es wirkt, als würde die Strasse den Berg hoch gehen, in Wirklichkeit hat sie aber 4% Gefälle. Das müssen wir mit dem Magirus natürlich auch ausprobieren. Die «Gravitationsanomalie» funktioniert auch bei uns 😁.

Erkenntnisse

Der Christbaum passt wunderbar als Beifahrer ins Cabrio.

Also Salami macht man bei uns aus Fleisch und nicht aus Milch.

In Polen gibt es den «Stop-Mann», der den Verkehr anhält, damit die Kinder die Strasse überqueren können.

Wir haben nicht wirklich herausgefunden, ob die Geländer die Fussgänger vor den Autos oder die Autos vor den Fussgängern schützen sollen… Es hat auf jeden Fall viele davon!

Die Tauben haben es auch gerne warm.

Unser Lieblings-Lebensmittelladen in Polen ist der Biedronka (auf Deutsch Marienkäfer). Obwohl es sich um eine grosse Kette handelt, ist das Sortiment mehrheitlich polnisch.

An den Strassenrändern in Polen hat es sehr viele Kreuze. Dies könnte ev. mit der polnischen Fahrweise zusammenhängen…